Serendipity!
Die Ausstellung »Cybernetic Serendipity« ist ein Meilenstein in der Geschichte der Computerkunst.
Sie fand zwischen dem 2. August und dem 20. Oktober 1968 in den Räumen des ICA, des Institute of Contemporary Art, Nash House, The Mall, London, statt.
»Serendipity!« zeigt die Lithographien, die 1968 anlässlich der Ausstellung für eine spezielle Sammleredition,
das Cybernetic Serendipity Collector´s Set, hergestellt wurden.
Die gezeigten Arbeiten sind erhältlich.
Cybernetic Serendipity
1968, drei Jahre nachdem in Stuttgart und New York erstmals Computerkunst in Galerien zu sehen war,
fand in London die erste große und international beachtete Ausstellung digitaler Kunst statt: »Cybernetic Serendipity«.
Die Kuratorin der Ausstellung, Jasia Reichardt, vereinte die Werke von 325 Computerkünstlern und präsentierte erstmals die ganze Bandbreite der frühen Computerkunst
- von computergenerierter Musik, Literatur, Grafik und Film über verschiedenartige Objekte, Skulpturen und Roboter bis hin zu aktueller Hardware, deren
Einsatzmöglichkeiten man demonstrierte.
Den Anstoß zu dieser legendären Ausstellung gab Max Bense, der 1965 in Stuttgart
die weltweit erste Ausstellung von Computerkunst mit Arbeiten von Georg Nees organisiert hatte. Mehr zu Max Bense in rot 40+1.
Die Ausstellung, die in London rund 50.000 Besucher anzog, wurde in den folgenden Jahren in verkleinerter Form auch in der
Corcoran Gallery, Washington D.C., und in The Exploratorium in San Francisco gezeigt.
Eine Dokumentation der Ausstellung ist im Online-Archiv des Institute of Contemporary Arts zu finden:
ICA Archive.
Cyber-Was?
Cybernetic Serendipity : Kybernetische Serendipität.
Den Titel der Ausstellung definiert der Katalog wie folgt:
Cybernetic: »Adj. von Kybernetik - die Lehre von der Kontrolle und Kommunikation in komplexen elektronischen Maschinen wie Computern und im menschlichen Nervensystem«
Serendipity: »die Fähigkeit erfreuliche Zufallsentdeckungen zu machen«
In der Presseerklärung der Ausstellung erläutert Reichardt, dass der Begriff Serendipity 1754 von Horace Walpole
für glückliche Zufallsentdeckungen geprägt wurde. Abgeleitet von der Legende der drei Prinzen von Serendip (ein historischer Name von Sri Lanka),
die auf ihren Reisen viele zufällige Entdeckungen machten, die stets ungeplant waren und nicht ihrem eigentlichen Ziel entsprachen, aber zu glücklichen Wendungen führten.
Siehe auch Wikipedia: Serendipität und
The Three Princes ...
Aus dem Begriff Cybernetics, der 1948 erstmals von Norbert Wiener in dessen Buch »Cybernetics« in Bezug auf die Datenverarbeitung angewandt wurde,
entstand das heute allseits verwendete Präfix Cyber, das meist zur Beschreibung von Phänomenen im Internet oder im virtuellen Raum benutzt wird.
Der Ausstellungskatalog
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Cybernetic Serendipity
- the computer and the arts.
Studio International special issue
Die erste Ausgabe erschien im Juli 1968, gefolgt von einer überarbeiteten, zweiten Auflage im September mit Nachdrucken im November 1968, 1969 in den USA sowie 1970.
Mittlerweile, 2018, ist eine Jubiläumsedition erschienen:
50th anniversary reprint
Umschlagentwurf: Franciszka Themerson - unter Verwendung der Computergrafiken
»3 D«, Donald K. Robbins / »Circle to Square transformation of Leonardo da Vinci´s interpretation of Vitruvius´ theory of proportion«, Charles Csuri / »The result of Fourier analysis on X-ray crystallography of the molecular structure or chicken fat«, B.L. Kershaw (auf der Rückseite).
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Jasia Reichardt, die Kuratorin der Cybernetic Serendipity Ausstellung, war auch Herausgeberin des Katalogs, der in Form einer Sonderausgabe des Kunstmagazins Studio International erschien: Cybernetic Serendipity - the computer and the arts.
Franciszka Themerson, die das Ausstellungsdesign entwickelt hatte, gestaltete den Einband.
Die Motif Edition
Der Londoner Kunstdruck-Verlag Motif Editions gab anlässlich der Ausstellung das Cybernetic Serendipity Collector´s Set eine aus
sieben Lithographien bestehende Sammleredition heraus.
Die Lithographien nach einigen in der Ausstellung gezeigten Plotterzeichnungen wurden 1968 auf Papier gedruckt.
Die Lithographien sind Bestandteil der wichtigsten Sammlungen zur Computerkunst, etwa der des Victoria and Albert Museum in London, denn die Computergrafiken stammen von japanischen und amerikanischen Pionieren der Computerkunst. Abbildungen dieser Grafiken sind auch im Ausstellungskatalog zu finden:
Running Cola is Africa
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CTG - Computer Technique Group:
Running Cola is Africa
Lithografie nach Plotterzeichnung, 1968
Idee: Masao Komura, Daten: Makoto Ohtake, Programm: Koji Fujino. Unterstützt von IBM Japan.
Generiert 1967/68 im IBM Scientific Data Centre in Tokio, Japan.
Programmiert in Fortran IV für IBM 7090, gezeichnet mit einem Calcomp 563 Plotter.
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Die aus Japan stammende Computer Technique Group beteiligte sich mit 24 Computergrafiken und auch mit Computergedichten an der Cybernetic Serendipity Ausstellung. »Running Cola is Africa« ist eine der Grafiken, die in Jasia Reichardts Cybernetic Serendipity Katalog in der Kategorie Metamorphosen eingeordnet sind: »Ein Computer-Algorithmus verwandelt einen Läufer in eine Cola-Flasche, die wiederum in eine Afrika-Karte verwandelt wird.«
Die Computergrafik gehört zu den frühesten Beispielen des Morphing, der computergestützten Transformation von Bildmotiven.
Die Mitglieder der CTG waren laut Ausstellungskatalog: Haruki Tsuchiya (Systemingenieur), Masao Komura (Produktdesigner), Kuni Yamanaka (Luftfahrtingenieur); Junichiro Kazizaki (Elektroingenieur), Makoto Ohtake (Architekt), Koji Fujino (Systemingenieur)
und Fujio Niwa (Systemingenieur).
Return to Square
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CTG - Computer Technique Group (CTG):
Return to Square
Lithografie nach Plotterzeichnung, 1968
Idee: Masao Komura, Programm: Kunio Yamanaka. Unterstützt von IBM Japan.
Generiert 1967/68 im IBM Scientific Data Centre in Tokio, Japan.
Programmiert in Fortran IV für IBM 7090, gezeichnet mit einem Calcomp 563 Plotter.
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»Return to Square« gehört ebenfalls zu den oben erwähnten Metamorphose-Grafiken und ist damit ein weiteres frühes Beispiel von Morphing.
Jasia Reichardts Cybernetic Serendipity Katalog beschreibt es wie folgt: »Ein Quadrat wird in das Profil einer Frau und dann wieder zurück in ein Quadrat verwandelt, programmiert nach einer arithmetischen Folge.« Das Motiv ist als »Return to Square (a)« aufgeführt, ein zweites Motiv, (b), wurde mit geometrischer Progression programmiert.
Asymmetry (Maughanogram)
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Maughan S. Mason:
Asymmetry (Maughanogram)
Lithografie nach Plotterzeichnung, 1968
Generiert 1966 mit einem Analogrechner, gezeichnet mit einem XY Plotter.
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»Asymmetry« ist eines der so genannten Maughanogramme, die der amerikanische Computerkünstler Maughan Sterling Manson mit einem Analogrechner erschuf. Die Grafik ist zusammen mit zwei weiteren Arbeiten Masons im Ausstellungskatalog abgebildet. Vor der Ausstellung in London hatte Mason die Grafiken bereits im Salt Lake Art Center, Salt Lake City, Utah, ausgestellt.
Der Moiré-Effekt in der Grafik war vom Künstler beabsichtigt.
Maughan S. Manson (1931 - 2003) war Physiker, Präsident der Society for Computer Simulation und war 25 Jahre als Programmierer für IBM tätig.
Human Figure
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William Fetter / Boeing Computer Graphics:
Human Figure
Lithografie nach Plotterzeichnung, 1968
Generiert 1968 (nach V&A).
Hardware: Keypunch, IBM/reader printer, IBM 7094, Gerber Plotter.
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»Human Figure« zeigt einen Piloten, der eine Sequenz von Bewegungen ausführt.
Die Figur wurde für den Flugzeughersteller Boeing entwickelt, um die Platzierung von Instrumenten im Cockpit zu optimieren.
Die Resultate der Bewegungsstudien flossen in die Entwicklung des Boeing-747-Cockpits ein.
William Fetter (1928 - 2002) arbeitete in den 1960er Jahren als Art Director für Boeing.
Er gilt als Schöpfer des ersten Computermodells eines menschlichen Körpers im Jahr 1964, des »Boeing Man«.
The Snail
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Kerry Strand / California Computer Products: The Snail
Lithografie nach Plotterzeichnung, 1968
(Der Moiré-Effekt ist Teil der Grafik.)
Generiert 1967 mit einem CalComp 770, gezeichnet mit CalComp 702 Flachbett-Plotter.
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»The Snail« war eine von sieben, von verschiedenen Künstlern gestalteten Computergrafiken, die CalComp in der Cybernetic Serendipity Ausstellung präsentierte
- auch um die Kapazität von CalComp Plottern zu demonstrieren. Die Ausgabe des Masterplots von »The Snail« dauerte seinerzeit viereinhalb Stunden.
Kerry Strand (geb. 1940) ist Ingenieur und Physiker und arbeitete von 1966 bis 1972 für CalComp Technology, Anaheim, Kalifornien.
CalComp oder auch California Computer Products produzierte Computer-Hardware wie den erwähnten CalComp Plotter.
Random War
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Charles Csuri und James Shaffer / Ohio State University:
Random War
Lithografie nach Plotterzeichnung, 1968
Generiert 1967 an der Ohio State University.
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»Random War« ist das Ergebnis eines frühen Computermodells, das den Ausgang von imaginären Kampfhandlungen prognostizieren sollte.
Die Beilage zur Motif Edition von 1968 beschreibt die Grafik wie folgt: »Eine Zeichnung eines Spielzeugsoldaten wurde angefertigt, welche die Daten
für das Basiselement der Komposition lieferte. Ein Zufallsgenerator im Programm ermittelte die Verteilung und Position der Soldaten auf dem Schlachtfeld.
Die eine Seite ist rot, die andere schwarz und jeder Soldat erhielt den Namen von real existierenden Personen.
Der militärische Rang wurde mittels des Zufallsgenerators zugewiesen. Das Programm hatte auch eine automatische Perspektiveneinstellung.
Ein Bild ... der Kampfhandlung wurde erstellt und der Ausdruck enthielt die folgenden Informationen: die Gesamtzahl der Toten und Verletzten in alphabetischer Reihenfolge; die Überlebenden in alphabetischer Reihenfolge.«
Charles Csuri (geb. 1922) ist ausgebildeter Künstler und zählt zu den Pionieren der Computerkunst.
Zusammen mit James Shaffer schuf er etliche bekannte Werke früher Computerkunst an der Ohio State University. Im Jahr 2012 entwickelte Csuri basierend auf
Random War ein Online-Spiel.
3D Checkerboard Pattern
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Donald K. Robbins / Sandia Corporation:
3D Checkerboard Pattern
Lithografie nach Plotterzeichnung, 1968
Generiert ca. 1968
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»3D Checkerboard Pattern« ist heute eine der bekanntesten Computergrafiken der Cybernetic Serendipity Ausstellung,
da sie im Cover des Ausstellungskatalogs verwendet wurde.
Die Beilage zur Motif Edition von 1968 beschreibt die Grafik als Visualisierung des so genannten »bug problem« in Berechnungen:
»Welchen Weg nehmen vier Käfer, die, abgesetzt an den Ecken eines Quadrats, aufeinander zukrabbeln?«
Ein grundlegendes Muster wurde erzeugt. Die resultierende Grafik vervielfältigt dieses Muster zu einem Schachbrettmuster und »im weiteren Verlauf zeigt sich das Schachbrett als dreidimensionale Einheit, dessen Form von perspektivischen Transformationen verzerrt wird.«
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